Die Weihnachtsgeschichte nach Max Drischner
(nach Lukas 2)
Die Weihnachtsgeschichte hebt an mit einem Vorspiel [1], gefolgt vom Chor [2]. Der Evangelist beginnt mit dem Lukastext [3], wiederum gefolgt vom Chor [4]. Dann setzt der Evangelist fort mit der Weihnachtsgeschichte [5]. Es folgen Chor [6] und Evangelist [7]. Der Chor beschließt den ersten Teil der Weihnachtsgeschichte mit Ehre sei Gott in der Höhe,… [8].
Nach einem Orgelzwischenspiel [9] folgen Chor [10] und Evangelist [11], der zum Chorsatz Lasset uns nun gehen gen Bethlehem überleitet [12]. Der Chor setzt dann fort mit Ich hab nur ein wenig von weitem geguckt… [13]. Danach singt der Evangelist den vorletzten Teil „seiner“ Weihnachtsgeschichte [14], wiederum gefolgt vom Chor [15].
Die Weihnachtsgeschichte nach dem biblischen Text wird dann vom Evangelisten abgeschlossen [16]. Der Chorsatz Alle die Schönheit Himmels und der Erden [17] schließt die eigentliche Weihnachtsgeschichte ab; doch der Schluß gipfelt im Gebet des Herrn Vater unser nach der Melodie von Michael Prätorius [18].
Zur Aufführung des vierstimmigen Chorsatzes hat Max Drischner genaue „Regieanweisungen“ formuliert:
Der Geistliche bleibe während der ganzen Feier am Altar. Der Chor nimmt vor den Altarstufen Aufstellung. Die Chorsänger tragen Kerzen in den Händen. Zur Begleitung verwende man ein Harmonium, das vor dem Chor aufgestellt wird. Der Chorleiter dirigiere, womöglich selbst die Begleitung spielend, so unauffällig wie möglich. Das Evangelium kann, wie es bei vielen bisherigen Aufführungen geschah, auch von mehreren Stimmen unisono gesungen werden. Die Rezitative sind frei und dem Text entsprechend vorzutragen. Bei Einschnitten im Text nicht zu kurze Pausen machen. Bei der Begleitung spiele man die Basslinie gebunden, die Harmonien, wie es der Text erfordert, bald gebunden, bald aufgelockert. Steht ein mehrstimmiger Chor nicht zur Verfügung, können die Lieder einstimmig gesungen werden. Die Chorsätze werden in diesem Fall als Begleitung gespielt. - Wird die Weihnachtsgeschichte nicht im Rahmen eines Gottesdienstes gesungen, so ist vor dem Vaterunser eine Pause einzulegen. (Zitiert nach der Einleitung der Partitur Die Weihnachtsgeschichte Edition Schultheiß, Verlag Thomi-Berg, Planegg bei München, CLS 164).
Als Originaltonart war die Weihnachtsgeschichte in G-Dur unter Berücksichtigung der Tatsache gesetzt, daß in Brieg wegen der Kriegszeit nur ein Frauenchor zur Verfügung stand. Später wurde dann, um die Aufführmöglichkeiten zu vergrößern, die Komposition um einen ganzen Ton nach F-Dur transponiert. Damit ließen sich auch Männerstimmen einsetzen.
(Der Text stützt sich auf Angaben in Wikepedia und eine Lebensbeschreibung über Max Drischner)
Max Drischner
Max Drischner wurde 1891 im schlesischen Prieborn geboren und starb – fern seiner schlesischen Heimat – 1971 in Goslar. Mit 19 Jahren begann er das theologische Studium in Leipzig und in Breslau. Nach sieben Semestern brach er das geistliche Studium ab und wandte sich der Musik zu. Zuerst in Berlin bei Wanda Landowska, danach bei Prof, Paul Hielscher in der Brieger Nikolaikirche.
Von 1924 bis zu seiner Flucht (Ausweisung durch Polen) 1946 war er Kirchenmusikdirektor und Kantor in Brieg an der berühmten Engler-Orgel (als Herr Kirchenmusikdirektor ließ er sich bis zu seinem Tode gern anreden). Nach Flucht und Vertreibung waren seine Zwischenstationen Erfurt und Herrenberg (Baden-Württemberg). Dann verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Goslar im Harz. Die Stadt Goslar verlieh ihm 1956 als erstem Bürger den städtischen Kulturpreis.
Längere Reisen führten ihn nach Norwegen; zahlreiche norwegische Komponisten standen brieflich in Kontakt mit Drischner bis zu dessen Tod.
Albert Schweitzer hatte großen Einfluß auf Drischners Werdegang. So wurde auf seine Empfehlung die Engler- Orgel in Brieg nicht auf ein elektrisches Gebläse umgestellt, sondern es blieb bei der Restaurierung der herkömmlichen Technik. Die persönlichen Beziehungen zwischen Max Drischner und Albert Schweitzer gingen so weit, daß Helene Schweitzer, die Gattin des „Urwaldoktors“, die Patentante von Drischners einziger Tochter Katharina wurde.
Drischners Musik besticht durch ihre Schlichtheit, die so gar nicht dem kompositorischen Zeitgeist entsprach. Er komponierte für den eigenen Gebrauch wie auch für den einfachen „normalen“ Kirchenmusiker.
Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Freiwilliger im Sanitätsdienst. Er wurde verwundet und verlor ein Fingerglied der rechten Hand; das beeinträchtigte sein Orgelspiel stark. Später kam ein Beinleiden hinzu, das ihm das Pedalspiel unmöglich machte.
Bereits zu Beginn seiner Kantorenarbeit in Brieg gründete er einen kirchlichen Jugendchor – etwas Ungewöhnliches in damaliger Zeit! Bereits 1924/25 trat der Chor 133 Mal auf. Unmittelbar vor Drischners Flucht löste sich der Chor auf; gleichwohl hielt eine Reihe von Sängern Kontakt zu ihm bis zu seinem Tode.
Ungewöhnlich an Drischner ist – damals unüblich-, daß er enge Kontakte zur katholischen Kirche pflegte. Dieser ökumenische Geist trug Früchte, denn er fand, nachdem er nach Goslar übersiedelt war, eine neue Wirkungsstätte an der Treutmann-Orgel (von 1737) im Kloster Grauhof. Dieses Kloster geht auf eine Stiftung Kaiser Konrads II. im Jahre 1025 auf dem Georgenberg am Rande Goslars zurück. Mit den Franziskanern vom Grauhof wurde eine Vielzahl von Orgelmusiken veranstaltet.
Auf dem Friedhof Lautenthal fand Drischner seine irdische Ruhestätte; nicht unerwähnt soll bleiben, daß die Trauerfeier in der Klosterkirche Grauhof stattfand.
Zusammenfassung
Am 14. Januar 1951, dem Geburtstag des mit Max Drischner sehr verbundenen Albert Schweitzers, formulierte der schlesische Komponist und Kirchenmusiker an der Nikolaikirche in Brieg seine Erinnerungen an die Entstehung seiner Ostergeschichte nach den Evangelien in einem Nachwort in der Chorpartitur.
Zunächst dachte Drischner nicht an eine Aufführung wegen der drohenden Kriegsgefahren, die auch vor Schlesien nicht haltmachten. Für Drischner grenzte es an ein Wunder, daß seine Osterkomposition gleichwohl Ostern 1945 in der katholischen Waisenhauskirche und zeitgleich auch in der evangelischen Kirche in Bad Altheide, Kr. Glatz, gesungen werden konnte. Danach wurde die Ostergeschichte auf Veranlassung von Superintendent Loheyde am 29. April 1945 vom Glatzer Kirchenchor in der bis auf den letzten Platz gefüllten evangelischen Kirche in Glatz aufgeführt. Superintendent Loheyde nahm an der Aufführung nicht teil; er war auf dem Weg nach Westen mit der Kirchenkasse, um sie vor dem drohenden Einmarsch der Roten Armee zu sichern. Bei seiner Rückkehr nach Glatz fand er den Tod.
Es folgte darauf die Flucht vor den Sowjets, jedoch kehrten die Flüchtlinge bald nach Kriegsende in ihre zerstörte Heimat zurück. Das musikalische Leben blühte alsbald in einem Chörlein, wie es Drischner formuliert, bestehend aus Protestanten, Altlutheranern und Katholiken, wieder auf. Die Weihnachtsgeschichte wurde Weihnachten 1945 zweimal in der katholischen Bergkapelle in Siebenhufen und einmal in der evangelischen Kirche in Prieborn gesungen; die Ostergeschichte erfreute Ostern 1946 in beiden Kirchen die Gemeinden. Obwohl die polnische Miliz den Chor bereits z u Beginn 1946 verbot, übten die Chormitglieder mit Emphase zu Hause, und so konnte die Ostgeschichte gleichwohl aufgeführt werden.
In idealer Weise wurde in dieser äußerst schwierigen und gefahrträchtigen unmittelbaren Nachkriegszeit die Ökumene praktiziert. Drischner musizierte in der katholischen Bergkapelle Siebenhufen bei 28 Orgelfeierstunden, die Messe zelebrierte der befreundete Pater Weigt. Dabei durfte Drischner zuletzt nicht einmal organisatorische Fragen mit dem Pater absprechen. Denn Zusammenkünfte jeder Art waren verboten. Eine Verständigung erfolgte über einen Zettelaustausch zwischen Chorempore und Sakristei. Für den Organisten Drischner und dem Pater war es von großer Bedeutung, den gequälten und daher mutlosen Gemeindemitgliedern mit den Orgelfeierstunden Mut und Tröstung zu geben. Das Nachwort beschließt Drischner fünf Jahre nach den Fluchtereignissen mit folgenden Worten: Am Sonntag, den 27. Oktober 1946 fand die letzte dieser Orgelfeierstunden statt, wenige Tage vor unserer Vertreibung. Als wir nachher den Kirchberg hinabstiegen, fegte der erste Schneesturm über das Land.
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